Die Forderung: EMS Geräte sollen Medizingeräte sein
Manchmal fragt man sich wer auf dei Idee kam…
Immer öfter wird verbreitet, EMS Geräte müssten eine Zulassung als Medizingerät haben. DSSV und BSA Akademie behaupten sogar, dies sei bereits eine Pflicht.
Eines vorweg: Ich bin keine Juristin, ich bin Physiologin, ich kann nichts zu dem Thema sagen das juristisch relevant ist – aber ich habe mich mit dem Thema der Medizinprodukte durchaus beschäftigt und als Anwenderin möchte ich mich diesem Thema mal nähern.
Was ist ein Medizinprodukt? Grundsätzlich mal sollte man doch davon ausgehen können, dass ein Medizingerät dann ein Medizingerät ist, wenn es in einem medizinischen Kontext bzw. für einen medizinischen Nutzen eingesetzt wird. Darüber hinaus gibt es aber auch für nicht medizinisch eingesetzte Geräte eine Notwendigkeit als Medizinprodukt geprüft zu werden, wenn das Produkt beispielsweise invasiv ist – im Fall von Kondomen z.B., die ja in Körperöffnungen eingebracht werden, braucht es eine entsprechende Prüfung, um sicher zu stellen, dass dieses Produkt auch sicher ist bei seiner Anwendung.
Was ist nun mit einem EMS Gerät? Braucht ein EMS Gerät eine Zulassung als Medizingerät, eine Zertifizierung als Medizinprodukt oder wie auch immer man es nennt?
Es gibt unter den Norman für Medizingeräte auch eine extra Norm für sog. Reizstromgeräte. Dies liegt daran, dass Reizstromgeräte schon seit vielen Jahrzehnten in der Medizin eingesetzt werden.
Was wird geprüft? Der Strom? Nein. Die Wirkung des Stromes? Auch nicht. Nebenwirkungen? Auch nicht. Nun sag schon…was wird geprüft? Tja, ich würde es mal so formulieren: Medizingeräte sind nicht zwingend sicherer als sog. Haushaltsgeräte. Dazu muss man verstehen, dass Sicherheit ein sehr dehnbarer Begriff ist. Oftmals sind Normen, die für eine bestimmte Prüfung die Grundlage bilden, durchaus schon ein paar Jahre alt oder zu Zeiten geschaffen worden, als noch völlig andere Bedingungen vorherrschten. Und die Sicherheit eines elektrischen Gerätes liegt sicherlich zu einem nicht unwesentlichen Teil auch in der Art der Nutzung.
Damit will ich sagen, dass ein und dasselbe Gerät bei unterschiedlicher Nutzung auch unterschiedlich sicher sein kann. Ist ja auch logisch. Wenn ich beispielsweise ein Fahrrad einmal als Verkehrsmittel nutzen will und einmal als Rennmaschine auf einer Radrennbahn, dann bleibt es zwar in beiden Fällen ein Fahrrad, doch man darf davon ausgehen, dass sie sich sehr unterscheiden werden in den Vorgaben die sie erfüllen müssen um als sicher zu gelten.
Und aus meiner bescheidenen Sicht ist es so, dass ein Gerät für medizinischen Einsatz sicherlich nicht zwingend sicher sein muss oder soll, als ein „Haushaltsgerät“. Denn, und das vergessen viele, im Haushalt ist ein Gerät sicherlich deutlich mehr unterschiedlichen Bedingungen ausgesetzt während man bei einem Medizingerät erwarten darf, dass es in der Regel in einem medizinischen Kontext zum Einsatz kommt und von entsprechend geschultem Personal bedient wird. Bei einem Haushaltsgerät kann ich sowas nicht voraussetzen. Also muss das Gerät schon von vorneherein auf deutlich mehr Eventualitäten vorberietet werden.
Dazu fällt mir ein Beispiel ein: Das erste EMS Ganzkörpertrainingsgerät, das in Deutschland auf dem Markt war hieß Elektrotrainer E8. Später wurde er in Bodytransformer umbenannt. Dieses Gerät wurde ursprünglich für die Kosmetik geplant und sollte eigentlich mit einer Zertifizierung als Medizingerät ausgestattet sein. Erst recht spät wurde das Gerät umgeplant und zu einem ESM Gerät gemacht.
An einem solchen Gerät passierte dann einer von zwei mir bekannten Unfällen. Und zwar trug es sich wie folgt zu: Ein Kunde, der schon mehrmals am Gerät trainiert hatte, war mit einem Trainer am Gerät um zu trainieren. Aus nie geklärten Gründen griff der Kunde während des Trainings plötzlich zu dem Drehregler der die Intensität am Armkanal regelte und gerade als er diesen Regler anfasste kam der Strom (hohe Intensität) und dies führte dazu, dass der Arm des Kunden in die Streckung gedrückt wurde, was wiederum dazu führte, dass der Kunde ungewollt den Armregler auf 100% hochdrehte. Dies wieder löste eine so heftige, ruckartige Kontraktion des Triceps aus, dass dieser das Schultergelenk sozusagen subluxierte und dabei wurde die Gelenkpfanne (knöchern wie auch das Labrum) beschädigt. Man kann das durchaus als eine schwere Verletzung bezeichnen.
Wer war schuld? Tja, die Sache ging so weit ich weiß vor Gericht. Dem Studio konnte nicht wirklich etwas vorgeworfen werden, denn es war ja ein Trainer bei dem Kunden als es passierte und der Kunde war auch nicht das erste Mal am Gerät. Ich gebe zu, es hat sich damals niemand für meine Meinung interessiert, doch ich war und bin der Meinung, wirklich schuld an diesem Unfall war der Hersteller des Gerätes. Und zwar aus mehreren Gründen:
- Die Positionierung des Reglers für die Arme auf der äußersten linken Seite der Bedienkonsole war denkbar schlecht gewählt. Da der größte Teil der Bevölkerung Rechtshänder sind, war somit vorprogrammiert, dass Trainierende, die während des Trainings den Regler für die Arme bedienen wollen den rechten Arm über Kreuz (also über die Körpermitte führend) zu besagtem Regler strecken müssen. Aber genau diese Position ist für die Schulter eine extrem destabilisierte Ausgangslage. Und genau das führte dann ja auch zu besagtem Unfall.
- Der Drehregler war viel zu klein. Es war mit einer kleinen Bewegung möglich den Regler von 0 auf 100% zu stellen. Dies dürfte auf gar keinen Fall so sein. Die Drehregler an einem solchen Gerät sollten zwingend so sein, dass das versehentliche oder ruckartige Hochregulieren gar nicht erst möglich ist.
- Das Gerät hatte keinen Schutz vor zu starken Intensitätserhöhungen. Jedes Gerät das für EMS gedacht ist sollte von Hause aus eine interne Plausibilitätsprüfung haben, die – wird die Intensität ruckartig oder in zu großen Schritten hoch gedreht – erst nachfragt ob das wirklich gewollt ist bzw. solche „Benutzungsfehler“ rausfiltern.
Bei einem Medizingerät würde ich alle drei Punkte vielleicht nicht für zwingend erforderlich halten, da ich davon ausgehen darf, dass das Gerät nur von geschultem Personal bedient wird, bei einem Haushalts-EMS-Gerät muss ich mich aber darauf einstellen, dass Menschen dieses Gerät selbst zu Hause nutzen oder ohne Trainer in einem Studio – also muss ich auch dafür sorgen, dass dieser mögliche Fall mit entsprechenden Sicherheitsvorkehrungen die Unwissenheit der Nutzer sozusagen voraussetzt oder zumindest berücksichtigt.
Aus diesem Grund bin ich der Meinung, dass ein Medizingerät bzw. eine Zertifizierung als solches unsinnige ist für ein EMS Gerät. Es sollten nur nach Normen geschaffen werden die auf EMS Geräte als Haushaltsgeräte ausgerichtet sind und eben entsprechende Sicherheiten vorschreiben.
Ich bin davon überzeugt, dass EMS Geräte für ein Ganzkörpertraining für zu Hause einfach anders sein müssen und andere Bedingungen erfüllen müssten als EMS Geräte, die in der Medizin zum Einsatz kommen.
Aber es gibt auch noch einen ganz anderen Punkt, den man nicht vergessen darf: Geräte die fr eine Zulassung als Medizingerät gedacht sind, müssen auch ihren medizinischen Nutzen nachweisen. Dies ist ein wesentlicher Teil der Prüfung zur Zulassung. Aber warum sollte ein EMS Gerät das schlicht als Trainingsgerät genutzt werden soll einen medizinischen Nutzen nachweisen? Das ist doch völlig widersinnig und absolut ohne Nutzen.
Man könnte tatsächlich denken, dass es einfach eine bescheuerte Idee ist, von EMS Geräten zu wollen, dass diese immer Medizingeräte sein müssen. Und man sollte sich auch unbedingt fragen, wer davon etwas hat?
Tatsächlich wäre es deutlich sinnvoller neue angepasste Normen zu fordern, nach denen EMS-GK-Trainingsgeräte für den Hausgebrauch geprüft und zertifiziert werden statt der irrsinnigen Idee zu verfallen für alle EMS Geräte die Medizinzulassung zu fordern.