Informationssuche zu „EMS Training“

Ich finde es schwer mich nicht zu dem Buch von Frau Fengler und Herrn Leinigen zu äußern. Einerseits bewundere ich das Engagement ein Buch zu dem Thema zu schreiben, andererseits wäre es natürlich auch wünschenswert, wenn die Informationen, die das Buch verbreitet zumindest stimmen würden.
Ich habe Seite 4 als Beispiel für das ganze Buch genommen. Schon diese eine Seite enthält so viel fachlich Unhaltbares, dass es schade ist. Die relevantesten fachlichen Fehler (auf deiser Seite 4) sind die Behauptung, dass der Köper keinen Unterschied macht zwischen dem elektrischen Impuls aus einem EMS Gerät und dem körpereigenen elektrischen Signal – wie kommen die AutorInnen nur zu einer solchen Behauptung? – und der unverzeihliche Fauxpas zu sagen, für EMS Training würde ausschließlich niederfrequenter Storm bis 1000 Hz genutzt. Also da muss ich jetzt aber auch mal Klartext reden: Das ist ein fachliche Offenbarungseid und ein wenig erschreckend, dass jemand ein Buch über EMS Training schreibt und offenbarnicht viel über EMS Training weiß.
Als dritter Punkt folgt dann noch die recht einfältige Aussage, marktführende EMS Gerätehersteller würden ihre Geräte auf maximal 150 Hz reglementieren. Das ist schon deswegen unsinnig, da Gerätehersteller (ob nun marktführend oder nicht – welcher Markt ist denn gemeint?) ihre Geräte auf ein bestimmtes und bewusst gewähltes Frequenzspektrum auslegen. 150 Hz sind das in der Regel nicht. In der Regel sind die niederfrequenten Geräte auf 1 bis 100 Hz ausgelegt da man im menschlichen Organismus bis dato nur Muskelgewebe nachweisen konnte, das bis 100 Hz reagiert. Bei Eichhörnchen fand man Muskelzellen, die mit 120 Hz arbeiten und rein physiologisch könnte ich mir vorstellen, dass es auch bei (einzelnen) Menschen Muskelzellen gibt die etwas höhere Frequenzen verarbeiten, aber sicherlich keine 150Hz.
An dieser Stelle könnte ich jetzt gleich einen Exkurs in Richtung CK-Werte fahren. Denn bei Geräten, die mit 150 Hz arbeiten wäre die Wahrscheinlichkeit wohl nochmals höher bei Trainierenden exorbitante CK Werte zu provozieren. Da das sicher niemand will, sollten die Gerätehersteller, wenn sie etwas von der Sache verstehen, auf jeden Fall die 100 Hz als Obergrenze setzen.
Aber eigentlich wollte ich einfach nur mal thematisieren, dass es leider keine wirklich taugliche Literatur zu EMS Training gibt. Weder für Fachleute noch für Laien die das Training für sich interessant finden.
Ich habe mich mal vor einigen Jahren intensiv darum bemüht alles an Studien und Untersuchungen zusammen zu tragen was es zu EMS gibt. Das Wenigste davon ist interessant für uns. Vor allem, weil die meisten Studien einfach gar nichts untersucht haben was für uns als EMS Sportler interessant ist. Beispielsweise gibt es durchaus interessante Studien zu der lokalen Anwendung von EMS am Oberschenkel bei VolleyballerInnen und da hat man herausgefunden, dass die Sprungkraft durchaus verbessert werden konnte. Oder dann gibt es Untersuchungen aus jüngster Zeit, bei denen an übergewichtigen DiabetikerInnen EMS Ganzkörpertraining über vier Wochen eingesetzt wurde und man stellte fest – aha – die Blutzuckerwerte wurden besser und abgenommen haben sie auch… oder so ähnlich. Sorry, aber völlig uninteressant. Wenn man die Studie nämlich durchliest, stellt man fest, dass weder für die Intensität des Stromes ein Richtwert existierte und dass parallel die Probanden bei dem EMS Training Kniebeugen machten. Das heißt, niemand weiß, ob die Ergebnisse durch den Strom oder durch die Kniebeugen erzielt wurden. Es gab nämlich nicht einmal eine Vergleichsgruppe.
An dieser Stelle möchte ich auf den Text von Frau Fengler und Herrn Leinigen zurückkommen, und auf deren Behauptung, der Körper würde nicht unterscheiden zwischen dem von Extern kommenden elektrischen Impuls und dem körpereigenen. Warum entstehen denn bei niederfrequentem EMS Training so extrem hohe CK Werte? Oder können vielmehr entstehen. Müssen ja nicht. Tun sie aber recht häufig. Warum? Weil EMS Training mit niederfrequentem Reizstrom ein Training ist, basierend auf intermittierenden Krämpfen. Und genau da liegt der Hase im Pfeffer. Wenn der Körper auf Basis seiner eigenen elektrischen Impulse aus Gehirn und Rückenmark arbeitet, dann krampfen die Muskeln normalerweise nicht, sondern kontrahieren. Physiologisch gesehen sind Krämpfe übersteuerte Kontraktionen. Und wieso sind die Kontraktionen bei EMS Training mit Niederfrequenz per se übersteuert? Weil man mit besagten 85 bis 100 Hz dieses Training ausführt. Das entspricht eben nicht den körpereigene Impulsen, sondern provoziert Krämpfe. Und zwar in dem größten Teil er Muskelzellen. Weil eben mit 85 oder gar 100Hz nur sehr wenige, nämlich die „very fast twitchenden“ Muskelfasern noch pyhsiologisch arbeitne. Für den viel größeren Anteil an Msukelzellen ist das eine deutlich zu hohe Freuqnz (und genau das erzeugt Krämpfe).
Wenn man ein Buch über EMS Training schreibt sollte man mehr davon verstehen als es die beiden AutorInnen von oben zitiertem Werk tun, oder man sollte zumindest deutlich besser recherchieren.
Ist leider ein Problem der heutigen Zeit, dass im Grunde jeder zum Autor werden kann, indem er sein Werk selbst verlegt und nie ein Fachkundiger das Geschriebene redigiert hat. Vielleicht wäre es sinnvoll, wenn man solche Bücher kennzeichnet. Als Leienwerk oder als ungeprüfte persönliche Meinung…wie auch immer.
Dennoch: Ich bedaure hier so negativ über dieses Buch zu schreiben. Ich würde gerne – wirklich sehr gerne – etwas anderes dazu sagen können. Ich möchte auch niemanden schlecht machen, oder gar kränken, aber es sollte auch einen Mindestanspruch an Fachbücher geben. Zumindest an ihren fachlichen Wahrheitsgehalt.
Kehren wir also zurück zu der Tatsache, dass es leider keine hilfreiche Fachliteratur in diesem Bereich gibt. Und auch die Studienlage als bescheiden zu bezeichnen ist. Daher möchte ich mal das Thema aufwerfen, was denn eigentlich interessante Studieninhalte sein könnten. Was gibt es eigentlich zu EMS Training zu untersuchen, das tatsächlich eine relevante Aussagekraft hätte?
Mir wurde auch schon sehr oft in dem letzten 20 Jahren – seit ich mich mit EMS Training befasse – die frage gestellt, ob es denn Studien gäbe die diese Trainingsform als gesund und wirksam belegen.
Für mich ist das so, als würde mich jemand fragen, ob es eine Studie gibt, die belegt, dass Bälle rollen. Bleiben wir bei diesem Beispiel: Jemand möchte eine Studie machen, um der Frage nachzugehen ob Bälle rollen. Diese Person holt dann einen Ball, legt diesen vor sich auf den Tisch und beobachtet den Ball. Dann holt diese Person 100 andere Personen in den Raum und auch diese beobachten den Ball. Danach gibt es eine Umfrage unter den Teilnehmern: Haben Sie den Ball rollen sehen? Alle 100 sagen „No“. Studienergebnis: Bälle rollen nicht.
Was ich damit sagen möchte ist, dass man sich doch erst einmal die Frage stellen muss, was ein wirklich sinnvoller Aspekt ist, den man untersuchen kann und dann muss man sich natürlich auch fragen, wie man eine solche Untersuchung sinnvoll aufbauen könnte. Ein Beispiel: Mir hat mal ein Professor von der Uni Bonn erzählt er habe mit seinen Studenten eine Studie gemacht, in der sie die Wirkung von EMS Training untersucht haben. Ergebnis der Studie sei eindeutig, dass EMS Training keinen Effekt hat. Ich weiß den Namen des Professors nicht mehr, aber das ist eine tatsächlich passierte Geschichte.
Also, ich war natürlich sehr überrascht über die klare Aussage des Professors und er legte mir den über diese Studie veröffentlichten Text zum Lesen hin. Darin stand, man hatte Probanden an ein niederfrequentes Gerät eines bekannten Herstellers angeschlossen, den Strom aufgedreht und über eine Spiro zeitgleich den Stoffwechselumsatz der Probanden gemessen. Das Ganze fand über 20 oder 30 Minuten statt. Alle Probanden wurden zweimal getestet. Einmal haben sie nur eine Abfolge einfacher Übungen wie Sidesteps, Kniebeugen etc. gemacht, einmal haben sie dieselben Übungen mit zusätzlichem Strom gemacht. Ergebnis: Der Strom führte zu keinerlei höherem Stoffwechselumsatz bei den Probanden. Schlussfolgerung des Herrn Professor für Trainingswissenschaft: EMS Training macht keinen Sinn als Trainingsform.
Ich gebe zu, ich war damals wirklich sehr erstaunt. Nicht so sehr über das Ergebnis dieser Untersuchung, als vielmehr darüber, dass eine Universität in eine solche „Untersuchung „Geld, Zeit und Arbeit steckte.
Da sind wir wieder bei der Untersuchung zu der Frage ob Bälle rollen.
Man muss schon auch die Voraussetzungen schaffen damit der Ball rollt (also beispielsweise eine schräge Unterlage), sonst wird das nix mit der Untersuchung.
Im Fall der Uni Bonn hätte man erstens mal klären müssen, ob eine Spiro überhaupt eine sinnvolle Untersuchungsmethode ist für EMS Training (denn mit Spiro testet man eigentlich ausschließlich im Bereich Ausdauersport, nicht aber im Kraftsport) und man hätte eine Normung finden müssen für die Intensität des Stromes und für seine Wirkung bei den einzelnen Probanden.
Worauf will ich hinaus? Auf die Tatsache, dass doch erst einmal die Frage zu stellen ist, mit welchen Strömen man welche Art von Einfluss auf bestimmte Gewebe nimmt. Denn EMS Training kennt erstens unterschiedliche Stromformen, und ist zweitens extrem abhängig von der Intensität des Stromes und der Beschaffenheit des Gewebes, auf das der Strom trifft. Wem es ausschließlich um die wenig sinnvolle frage geht „Funktioniert EMS“, dem gebe ich den rat sich einfach mal selber an ein gerät zu hängen und so lange auf zu drehen bis die Muskeln kontrahieren. Dann ist die Studie auch schon gemacht, Denn eines kann ich mit Sicherheit garantieren: Strom bringt Muskeln zur Kontraktion. Und da das Ziel von EMS genau das ist, nämlichen Muskeln zur Kontraktion zu bringen, kann man die Frage ob EMS funktioniert in diesem Sinne auch als belegt ansehen. Es ist also nicht sinnvoll diese Frage in Studien klären zu wollen. Denn es ist keine offene Frage.
Was aber durchaus Sinn machen würde ist die Frage, wie man welchen Strom einsetzen kann, um unterschiedliche Trainingsziele zu erreichen. Komischerweise hat diese Frage noch nie jemand gestellt. Dabei ist es die einzig relevante. Denn wir wissen, ich kann mit EMS Muskeln zur Kontraktion bringen. Das ist belegtes Wissen, das auch kein Mensch in Frage stellen kann. Wenn ich aber – und das ist ja die Realität im Training – unterschiedliche Trainingsziele habe, dann wird es plötzlich interessant. Dann kann man fragen: Welcher Strom eignet sich für Muskelaufbau? Welcher Storm eignet sich zur Muskellockerung. Kann man mit Strom auch Ausdauertraining machen? Eine andere frage könnte sein, welchen Einfluss die Elektroden (Größe, Lage, Anzahl) auf die Trainingswirkung von unterschiedlichen Strömen haben. Oder auch einfach die Frage: Kann ich mit EMS an einer unbewegten Person Muskelaufbau erzielen? Und wenn ja, mit welchem Storm und welchen Parametern.
Zu all dem gibt es keine Untersuchungen. Komischerweise. Allerdings kann man eines ganz klar sagen: So lange Menschen die Studien und Untersuchungen machen nicht wissen, dass es unterschiedliche Stromformen für EMS gibt und dass es für eine Untersuchung extrem relevant ist auch den richtigen Storm für das jeweilige Anwendungsziel zu wählen, wird es wohl auch keine wirklich aussagekräftigen Untersuchungen geben.
Ich habe vor nicht allzu langer Zeit einen Artikel gelesen in dem beschrieben wurde, dass man niederfrequente EMS erfolgreich einsetzen kann um Sportler, die eine starke Krampfneigung haben zu „behandeln“ – also die Krampfneigung erfolgreich zu verringern.
Als ich das las habe ich mich gefreut, weil da ganz offenbar jemand verstanden hat, wie NF wirkt und hat sich dies zu Nutze gemacht. Das nenne ich sinnvollen Umgang mit Optionen. Denn genau das ist EMS – eine Trainingsform mit tollen Möglichkeiten, aber auch mit Grenzen.
Finale Frage: Was kann denn EMS Training nun tatsächlich?
Viel. Zumindest wenn man die richtigen Stromformen für das richtige Trainingsziel einsetzt und die Intensität des Trainings zum Trainingsziel und zum Trainierenden passt.
Grundsätzlich muss man sich darüber im Klaren sein, dass niederfrequenter Reizstrom (NF) eine sehr simpe Stromform ist, und wenn man diese für Muskeltraining einsetzt, dann bleibt einem aus physiologischer Sicht keine andere Möglichkeit als mit Frequenzen von wenigstens 75 Hz, aber eher noch von 85 oder 90 Hz zu arbeiten und die Intensität möglichst hoch zu drehen. Das physiologische Ergebnis sind intermittierende Krämpfe. Krämpfe sind eben auch Kontraktionen. Allerdings führen Krämpfe auch zu relativ starken Mikroverletzungen in der Muskulatur, dies wieder zieht hohe CK Werte nach sich. Setzt man stattdessen Schwellmodulierte Mittelfrequenz für denselben Zweck ein, lässt die Kontraktionsfasen entsprechend lang ablaufen, dreht ebenfalls die Intensität hoch genug um wirklich flächendeckend eine hohe Kontraktionsqualität zu erzielen, dann wird man auch einen hohen Trainingsreiz setzen, es wird aber keine „unnatürlich“ hohen CK Werte geben, da die Kontraktion quasi-physiologisch bleibt. Das ist belegt und wurde in Untersuchungen nachgewiesen. Die Farge die sich jetzt stellt ist: Welchen Unterschied macht es für das Trainingsziel Muskelaufbau, ob die schwellmodulierte MF mit 5 Impulsen die Minute oder 10 Impulsen die Minute eingesetzt wird und auch die Modulationstiefe könnte hier ein interessanter Aspekt sein. In dem Buch „(R)evolution in der Elektrotherapie“ gibt es unter anderem Erfahrungsberichte von einem Physiotherapeuten der Profi- Gewichtheber mit MMF trainierte und er hat an seinen Sportlern ganz klare Unterschiede in der Wirkung zwischen einer schwellmodulierten MMF mit 50 Prozent Modulationstiefe im Vergleich zu 75% erkannt. Er erklärte sich die deutlich bessere Wirkung bei 50% mit der Tatsache, dass diese Sportler so oder so schon sehr gut trainierte Muskulatur haben und daher auf geringere Modulationstiefen besser ansprechen. Aus meiner Sicht wäre es interessant gewesen, ob ein Training mit unmodulierter MF nochmals bessere/andere Ergebnisse gebracht hätte.
Ja, man könnte vieles untersuchen das einen Nutzen für die Menschen hätte, die diese Trainingsform nutzen, aber leider passiert da bisher nicht wirklich viel.