Creatin Kinase in aller (EMS-) Munde

Eines sei mal klar gesagt: Es gibt aus meiner Sicht – und ich meine mit meiner Sicht die Sicht einer Physiotherapeutin deren Schwerpunkt seit Jahrzehnten das Verstehen von Physiologie und Stoffwechsel im Kontext von Bewegung und Sport ist – keine effektivere und sicherere Möglichkeit Muskeln zu trainieren als EMS auf Basis von Modulierter Mittelfrequenz (MMF), also EMA Training.

Dennoch sollte man nicht vorschnell sagen, dass herkömmliche EMS – also EMS mit Niederfrequentem Reizstrom – nicht effektiv und sinnvoll ist. Auch die NF hat ihre Möglichkeiten. Allerdings deutlich weniger als MMF, das ist einfach eine Tatsache. Dennoch ist Muskelarbeit mit NF immer noch besser als gar keine Muskelarbeit… Allerdings muss man auch ganz klar sagen: Wenn ich die Möglichkeit habe MMF zu nutzen, dann macht es keinen Sinn ihr die NF vorzuziehen. Physiologisch gesehen ist die MMF deutlich wertiger, kann mehr, ist der physiologischen Kontraktion nahe und da sie nicht wie die NF über Krämpfe funktioniert ist sie letztlich auch deutlich schonender und verträglicher.

Der wertvollste Beleg hierfür ist der viel diskutierte CK Wert. Die CK – Creatinkinase – ist ein Enzym, das im Blut erhöht ist, wenn Muskelgewebe zu Schaden kommt.
Nun ist jede sportliche Betätigung, wenn sie ein wenig intensiv ist auch Muskelgewebeschädigend. Das ist sozusagen der gewollte Reiz, der gesetzt wird, um den Muskeln zu Anpassungen zu bringen – also zu Muskelwachstum, Kraftzuwachs etc.
Das heißt, jede körperlich anstrengende Betätigung führt auch zu einer Erhöhung des CK. Aber eben im Rahmen. Man spricht da von Erhöhungen bis zum 10 oder 15fachen des Ausgangswertes. Das können dann auch mal 2000 UI sein die gemessen werden.
Ich weiß, dass bei extremen Sportevents wie Langstrecken-Radrennen, Langdistanztriathlon etc. auch Werte von bis zu 10.000 erreicht werden, wenn die Probanden nicht ausreichend trainiert in den Wettkampf gehen oder andere Faktoren zu einer deutlichen Überbelastung führen.
Leider gab es Fälle, da wurden nach EMS Training mit NF Werte bis zu 20.000 IU und auch deutlich darüber gemessen. Als Physiologin kann ich dazu nur sagen: „No na! Wen wundert das? Mich nicht.“
Aber erst mal der Reihe nach: Niederfrequenz (NF) ist eine Stromform, bei der mit in der Regel 75 bis 100 Hz in einem gewissen Rhythmus Kontraktionen in der Skelettmuskulatur ausgelöst werden. Der elektrische Impuls selbst wird hier über die Nervenbahn, also den motorischen Nerv gesetzt und zum Muskel gebracht.
Nun muss man wissen, dass Muskeln aus unterschiedlichen Muskelfasertypen bestehen. Ich möchte es jetzt nicht unnötig „schulisch“ werden lassen, daher mein Verweis auf jegliches gute Physiologiebuch zum Thema Trainingswissenschaft. Also: Grob gesagt haben wir langsam zuckende und schnell zuckende Muskelfasern. Diese unterscheiden sich in vielen Dingen. Unter anderem in ihrer bevorzugten Art Energie zu gewinnen, aber eben auch in ihren Reaktionszeiten und ihrer Arbeitsweise. Die langsamen sind eher für Haltearbeit zuständig und versorgen sich bevorzugt aus Fett – erst wenn sie stärker belastet werden, greifen sei auch auf Kohlenhydrate zu. Die schnell zuckenden sind hingegen das was man klassisch als Bewegungsmuskeln bezeichnet. Sie arbeiten eher schnell und kurzfristig und versorgen sich teils auch noch aus Fett aber teilweise auch nur noch aus Kohlenhydraten (also Zucker). Die richtig schnellen unter den schnellen arbeiten überhaupt nur noch anaerob – also brauchen keinen Sauerstoff mehr, weil das viel zu lange dauern würde, um sie zu versorgen.
Wenn ich also eine intensive Muskelkontraktion in einem großen Muskel erzeugen möchte – die nach Möglichkeit auch zu einem Muskelwachstum führen soll – dann wird es zwingend einen reiz benötigen, der die schnellen Muskelfasern ausreichend intensiv belastet. Und wenn man das in elektrischen Impulsen ausdrücken möchte, dann heißt das, man braucht Impulse, die von der Frequenz her den natürlichen elektrischen Impulsen nahe kommen die der Körper selbst nutzt um Muskelfasern zur Kontraktion zu bringen. Bei den schnell zuckenden sind das eben jene weiter oben erwähnten 75- 100 Hz. Alles unter 50 Hz führt in den schnell zuckenden Fasern schlicht nicht zu tetanischen Kontraktionen, sondern bestenfalls zu einem „Wabern im Gewebe“.

Was heißt das aber nun? Es heißt, wenn ich mit NF große Muskeln zur Kontraktion bringen möchte, dann muss ich mit besagten 75 bis 100 Hz an die Sache ran gehen und das wieder bedeutet, dass diese Impulse für einen großen Teil der Muskelfasern (da die langsam zuckenden sowie die langsam-schnell zuckenden in der Überzahl sind) übersteuerte Reize gesetzt werden. Denn für eine Muskelfaser deren physiologische Ausstattung vielleicht für 15 bis 45 Hz (das ist jetzt nur eine theoretische Annahme) ausgerichtet ist, bedeutet ein elektrischer Reiz mit 100 Hz oder auch 90 Hz eine absolute Übersteuerung. Und was ist eine übersteuerte Muskelkontraktion? Ein Krampf. Punktum. Normalerweise werden Krämpfe vor allem dann entstehen, wenn z.B. aus Gründen der Ermüdung der Elektrolythaushalt sich verschiebt. Dann kommt es zu unkontrollierten Impulsen und dies wieder löst unkontrollierte Kontraktionen aus die wir als Krampf erleben.

Ein Krampf ist eine Muskelkontraktion. Eben eine unphysiologische, eine übersteuerte Muskelkontraktion, aber eben eine Muskelkontraktion.

Und genau dasselbe löse ich aus, wenn ich auf überwiegend langsam bis langsam-schnell zuckernde Muskelzellen einen elektrischen Reiz zwangsweise setze. Wenn ich als o an einem NF Gerät für 30 Minuten einen Impulswechsel von 4 Sekunden Impuls und 6 Sekunden Pause einstelle und den Strom mit 90 Hz auf den gesamten Körper bringe, dann habe ich für 6 Mal je Minute einen Krampf in allen großen Muskeln ausgelöst, den ich durch Pausen von 6 Sekunden unterbreche.

Und wenn einem das wirklich klar ist, und man das mal in aller Ruhe überlegt, dann wird man sich auch nicht mehr wundern, dass eine solche Art der Belastung im Körper zu deutlich erhöhten CK-Werten führt. Und genau das ist das Problem der NF.
Aus diesem Grund sei hier die Strahlenschutzkommission zitiert: https://www.ssk.de/SharedDocs/Beratungsergebnisse_PDF/2019/2019-08-12EMFMenschen.pdf?__blob=publicationFile

Hier heißt es unter anderem: „…Muskuläre Überlastung führt zu einem Anstieg des Muskelenzyms Creatin-Kinase (CK). Die CK wird über die Niere ausgeschieden. Zu hohe CK-Werte können die Nierentubuli „verstopfen“ und im schlimmsten Fall mit Nierenversagen einhergehen. Der verbreitetste Laborwert zur Funktionsbeurteilung der Niere ist der Retentionsparameter Kreatinin. Nach den internationalen Richtlinien zum akuten Nierenversagen (Khwaja 2012) reicht für das dritte und schwerste Stadium schon ein Anstieg des Kreatinins um das Dreifache des Ausgangswertes aus. Vier von fünf Marathonläufern erfüllen am Ende des Rennens die Kriterien für das Anfangsstadium 1 eines akuten Nierenversagens(Mansour et al. 2017). Bei den Läufern stieg das Kreatinin von im Mittel 0,81 mg/dL einen Tag später auf 1,28 mg/dL, die CK von 85 IU/L zwei Tage später auf 722 IU/L. Bei Nutzung einer elektrischen Muskelstimulation beider Oberschenkel stieg der CK-Wert von im Mittel 171 IU/L auf 12 460 IU/L am vierten Tag nach Stimulation an (Fouré et al. 2014). Bei einer heutzutage verbreiteten Ganzkörperstimulation kann dieser Anstieg noch höher ausfallen; Rhabdomyolysen mit akutem Nierenversagen wurden beschrieben. Nach wiederholten EMS-Ganzkörpersitzungen sinken die CK-Anstiege wesentlich, so nach 10 Wochen bei wöchentlichen Sitzungen von initial nach der ersten Sitzung117-fach (28545 ± 33 611 IU/L) auf nur noch 906 ± 500 IU/L (Kemmler et al. 2015). Langfristige Nierenschäden sind insbesondere bei längerfristiger Anwendung möglich…“

Also: Boahh, CK Werte von fast 30.000 – ich wird verrückt… könnte man da sagen. Man könnte aber auch mal darüber nachdenken, wie NF funktioniert und ist plötzlich gar nicht mehr so sehr verwundert.
Aber: Ich muss jetzt trotzdem auch mal eines sagen – Is nicht nötig! Wenn man mit ein wenig Köpfchen und Verständnis an die Sache ran geht kann man auch mit NF trainieren ohne die CK in absurde Höhen zu treiben. Es sei an dieser Stelle daran erinnert: Man kann sich auch mit Wassertrinken umbringen – man muss nur genug davon trinken. Auch hier also mal wieder wie so oft im Leben: Die Dosis macht das Gift.

Trotzdem muss man auch darauf hinweisen, dass das ein Problem der NF ist. EMS Training mit MMF hat dieses Problem nicht. Ich sage jetzt mal „nicht“ und meine „nicht wirklich“. Denn Missbrauch und Dummheit schaffen sicherlich auch dass – wenn nötig.
Da die MMF aber grundsätzlich mal – vor allem in ihrer MyoModulations-Form – quasi-physiologisch wirkt (so bezeichnete es Prof. Senn schon in den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts) hat sie in der Regel auch nur CK-erhöhungen zur Folge, die den Erhöhungen von physiologischen Kontraktionen entsprechen.

Ich selbst habe schon vor einigen Jahren CK-Testungen nach EMA Training (so nennt man EMS Training, wenn man es mit MMF ausführt) gemacht. Unter anderem an einer kleinen Anzahl von Probanden mit Hilfe von Studenten der Sportfakultät der Uni Heidelberg, aber eben auch ganz gezielt an mir selbst. Und siehe da, nicht bei einem einzigen Probanden erhöhte sich die CK über den 5- bis 10-fachen Wert gegenüber dem Ruhewert nach EMA Training. An mir selbst habe ich es sogar mit relativer Intensität versucht, den CK gezielt hochzutreiben – mit EMS ging das auch bis in Bereiche von 20.000 und deutlich mehr, mit MMF kam ich nicht ein einziges Mal erwähnenswert über 1.000 IU/l.

Was habe ich aus diesen Tests gelernt? Dass Prof. Senn recht hatte, als er die Muskelkontraktionen, die durch die MMF ausgelöst werden als „quasi-physiologisch“ bezeichnet hat. Die Myomodulation der MMF ist sozusagen bionisch.
aber wenn man ehrlich ist und sowohl das Training mit NF als auch das Training mit MMF sehr gut kennt, dann spürt man das auch. Das Körpergefühl unter MMF ist ein ganz anderes als das ziemlich harte und eben ehr krampfende Gefühl, das die NF im Körper verursacht.